Podiumsdiskussion "Wieviel Europa steckt in Mittelhessen?" - Der Austausch zwischen den Menschen ist mit Geld nicht zu bezahlen

Wie viel Europa steckt in Mittelhessen? Dies diskutierten auf Einladung des SPD-Stadtverbandes Mercedes Bindhardt (Leader Region Lahn-Dill-Wetzlar), Sven Ringsdorf (Europaunion), Frank Inderthal (Bürgermeister von Solms) und Oliver Brückmann (Lahnauer Unternehmer) im Rahmen einer öffentlichen Diskussion im Wetzlarer Westend, die von Tim Brückmann moderiert wurde.

 

 

In seinen begrüßenden Worten rief Stadtverbandsvorsitzender Manfred Wagner dazu auf, das „was unsere Väter und Mütter aufgebaut haben, zu bewahren“, um Wohlstand und Frieden zu sichern. Er könne sich nur wundern, wenn bestimmte politische Gruppen forderten, „das Übel der Europäischen Union“ zu beseitigen. Gleichwohl gebe es strukturellen Verbesserungsbedarf, um bei der inzwischen erreichten Anzahl an Mitgliedsländern handlungsfähig zu bleiben. So müsse es zukünftig Mehrheitsentscheidungen geben und nicht mehr das bisherige Einheitsprinzip, das es einzelnen Ländern ermögliche, Entscheidungen zu verhindern.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich persönlich noch mit Krieg konfrontiert sein würde“, stellte Sven Ringsdorf von der überparteilichen Europaunion zu Beginn der Gesprächsrunde bezugnehmend auf seine jüngste Ukrainereise fest. Europa sei in erster Linie eine Werte- und Verteidigungsgemeinschaft. Dies müsse man sich stärker bewusst machen und weniger über Normen für Gurken und Bananen diskutieren. Bei aller Kritik würden die Vorteile der EU bei weitem überwiegen.

 

 

Mercedes Bindhardt, deren Aufgabe es ist, regionale Förderung vor Ort für die EU zu organisieren, erinnerte daran, dass auch bei uns zahlreiche Projekte und Institutionen von europäischen Fördergeldern profitiert hätten. Hierzu gehörten das Franzis in Wetzlar ebenso wie das Speiseeisunternehmen Eiszeit in Lahnau oder zwei Projekte im Braunfelser Kurpark. Insgesamt gebe es in Hessen 24 Leaderregionen, in denen Regionales gefördert werde, europaweit sogar über 3000. Dies seien gute Beispiele dafür, dass Europa eben nicht nur Geld koste, sondern auch viele Mittel zurückfließen würden, ergänzte Ringsdorf.

Auf die wirtschaftliche Bedeutung der Europäischen Gemeinschaft ging der Lahnauer Unternehmer Oliver Brückmann ein, in dessen Betrieb über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich auf die Vorteile eines geeinten Europas vertrauen könnten. Diese seien der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Es sei unvorstellbar im heutigen Tempo Waren zu beziehen, wenn es die früheren Zollvorschriften innerhalb Europas noch geben würde. Auch Überweisungsgebühren hätten sich beispielsweise radikal reduziert. Alle diese Kostenfaktoren machten sich auch bei den Endprodukten bemerkbar. Die Vorteile kämen somit allen zugute. „Wer uns Europa nimmt, nimmt uns auch diesen Wohlstand. Dafür lohnt es sich zu streiten“, so Brückmann. 

 

 

Einen oft genannten Kritikpunkt nahm der Solmser Bürgermeister und Landratskandidat Frank Inderthal auf: Europäische Rechtsvorschriften seien an vielem Schuld. Inderthal, der auch in seiner vorherigen beruflichen Tätigkeit 16 Jahre im Bereich der Verwaltung mit EU-Recht zu tun gehabt hatte, trat dieser Behauptung entgegen. Die EU sei häufig gar nicht schuld. Vielmehr gebe es in Deutschland zu den europäischen Regelungen noch Bundes- und Landesgesetze, die in Kombination für Überlastungen und Probleme sorgten. Europäische Partnerländer machten es an vielen Stellen vor, wie dies besser gehe und ergänzte: „Wir sollten uns immer bewusst machen, dass die EU uns Frieden gebracht hat. Dies sollten wir wieder stärker in den Fokus nehmen“. Wichtig sei, dass die Menschen sich begegneten, erinnerte er an eigene Erfahrungen.

 

 

 

Grenzkontrollen innerhalb Europas kämen einem heute vor, wie von einem anderen Stern, stellte Stadtverbandsvorsitzender Wagner abschließend fest, um dann zu ergänzen, dass „wir aber wieder an diesem Punkt landen könnten“. Die Weimarer Republik sei nicht nur an ihren Feinden gescheitert, sondern auch an den eigenen Freunden, die nicht zur Wahl gingen. Dies dürfe sich am 9. Juni -dem Tag der Europawahl- nicht wiederholen